Das "Unternehmen Türkei" - Plädoyer für eine rationale und differenzierte Debatte
Regensburg, 02.07.2007 - Prof. Dr. Walter begrüßt ausdrücklich einen EU-Beitritt der Türkei. Auf dem Weg dahin ist eine offene und vielseitige Debatte nötig, die eine zeitweise inhaltslose Darstellung ablöst. Wie viele Aspekte eine solche Debatte beinhalten kann, zeigte das Podiumsgespräch zwischen Prof. Dr. Walter und Generalkonsul Kartal, an dem sich auch die etwa 80 Teilnehmer aus Wirtschaft und Gesellschaft engagiert und diskussionsfreudig beteiligten. In das Regensburger Thon-Dittmer-Palais eingeladen hatten der Bund Katholischer Unternehmer e.V. und die Unternehmerrunde e.V..
"Das 'Unternehmen' Türkei: Türken in Deutschland - Türkei in Europa?" Ganz bewusst hatten die Organisatoren der Veranstaltung - Bund Katholischer Unternehmer e.V. und Unternehmerrunde e.V. - diesen umfassenden Titel gewählt und Vertreter aus Unternehmen, Gesellschaft und Hochschulen zu einem Podiumsgespräch in das Thon-Dittmer-Palais geladen.
Auf welch bedeutendes und in der Regel viel zu undifferenziert behandeltes Thema die Veranstalter gestoßen waren, zeigte sich bereits im Impulsvortrag von Prof. Dr. Norbert Walter. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank betonte die Wichtigkeit einer rationalen Debatte zum Thema Türkei, die jedoch nicht stattfindet, sondern in "inhaltsleeren Vokabeln" münde, wie Prof. Dr. Walter es bezeichnet.
Dabei bescheinigt Walter der Türkei ein hohes Wirtschafts- und Entwicklungspotenzial. Er erwartet für die nächsten Jahre ein kontinuierliches jährliches Wirtschaftswachstum von rund 4%. Ein Potenzial, das von der deutschen Wirtschaft größtenteils übersehen wird. Obwohl die Türkei ein sehr bedeutender Markt in geostrategisch optimaler Lage ist, würde sie "offenkundig nicht angesehen als ein Land, um das man sich mit Direktinvestitionen zu kümmern hätte."
Unsicherheiten und damit verbundene Ablehnung entstünden nicht zuletzt durch die Größe der türkischen Volkswirtschaft im Vergleich zu anderen Mitgliedsländern der EU. Um auf gute, gemeinsame Lösungen zu kommen wäre es für die Politik nötig, offen zu kommunizieren. Doch auch jeder einzelne ist gefragt, wie sich im Laufe der Podiumsdiskussion herausstellte: Walter fordert die Deutschen auf, über positive Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Türken und türkischen Unternehmen zu sprechen, um so Vorurteile innerhalb der Gesellschaft zu überwinden. Miteinander statt übereinander reden sei ein erster Schritt.
Generalkonsul Mehmet Selim Kartal beklagte die sehr kritische, bis hin zur Übertreibung neigende Haltung der deutschen Medien zur Türkei. Die Türkei sei immer ein Verfechter Europas gewesen und werde dies auch in Zukunft sein. Die Medien dagegen stellten die Türkei ausschließlich mit problematischen Fragestellungen wie dem Thema Armenien dar. Viele Aspekte der Türkei würden in Europa gar nicht wahrgenommen.
Dem Anliegen der Podiumsteilnehmer, das Thema differenziert zu betrachten, kam das interessierte Publikum gerne entgegen. Zahlreiche Wortmeldungen und teils emotionale Debatten unterstrichen den Diskussionsbedarf. Anmerkungen zur mangelnden Toleranz der Religionen, Kürzungen bei der gezielten Förderung von Migrantenkindern oder die Frage nach einem EU-Beitritt der Türkei zeigten aber auch, wie weit die Anschauungen von Deutschen und Türken zum Teil entfernt sind.
Als Fazit lässt sich festhalten, dass das Thema Türkei nicht auf wenige Stammtischparolen reduziert werden, sondern als Chance für Deutschland, Europa und die Türkei verstanden werden sollte. Bestehenden Unsicherheiten und Vorurteilen auf Seiten von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sollte eine sachliche und offene Diskussion entgegengesetzt werden. Nur so lassen sich Gräben schließen und der Weg für eine gemeinsame, erfolgreiche Zukunft ebnen.
Im Anschluss an das Podiumsgespräch waren alle Gäste eingeladen, die lebhafte Diskussion bei einem Stehempfang weiterzuführen, Ideen auszutauschen und Kontakte zu knüpfen.
Unternehmerrunde e.V. und Bund Katholischer Unternehmer e.V. bedanken sich herzlich bei Prof. Dr. Norbert Walter, Generalkonsul Mehmet Selim Kartal sowie Thomas Emmerling für ein interessantes, kurzweiliges Podiumsgespräch, bei ihren Gästen für eine rege Teilnahme und nicht zuletzt bei ihren Partnern Fotodesign Ulrich Kreit sowie der Volkshochschule Regensburg für die freundliche Unterstützung.